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Wie selbstverständlich - Julius Wochen 7 und 8

"Wenn man Kinder hat, vergeht die Zeit wie im Flug." Diesen Spruch hat doch jeder schon mal gehört oder? Und an langen Regennachmittagen, weiß man, dass da einfach nichts Wahres dran sein kann.

Aber dann plötzlich sitzt man abends beim Essen und denkt sich: Wieso fällt da denn nichts mehr runter? Und wo ist das halbe Stück Rote-Bete-Tarte hin verschwunden? Hat er das aufgegessen? Wann hat er das gelernt? Stimmt dieser blöde Spruch etwa doch?

 

Neben dem obigen Spruch findet sich in der großen, bunten Phrasenkiste übrigens auch noch der hier: "Das Zweite läuft einfach so mit." Und was soll ich sagen? Genau so ist es irgendwie. Und das ist vermutlich auch der Grund warum man manchmal das Gefühl hat, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Man ist einfach nicht mehr so konzentriert und fokussiert auf das zweite Baby, wie man es beim ersten war. Nicht jede kleine motorische Entwicklung wird gleich bemerkt, gefeiert, fotodokumentiert und über diverse WhatsApp-Gruppen bis zur Cousine 9. Grades berichtet. Wie unfair! Aber vermutlich auch gar nicht so verkehrt...

 

Trotzdem versuche ich heute mal die ganzen Fortschritte zu dokumentieren, die Julius ganz heimlich still und leise für sich ganz allein gemacht hat, während ich (oder wir) mit unserem Großen oder unserer eigenen Nahrungsaufnahme beschäftigt waren. Womit wir schon beim ersten Punkt wären: Denn dass Julius ganz für sich alleine - also im Hochstuhl - is(s)t, lässt sich durchaus als Fortschritt verbuchen. Seit unserer Rückkehr nach München und dem Ender der Elternzeit meines Mannes sitzt Julius jetzt in seinem eigenen Stuhl. Zuerst nur dann, wenn ich die Mahlzeit mit beiden Kindern alleine zu mir nahm. Weil es mir sonst logistisch nicht mehr möglich war diese Herausforderung entspannt zu meistern. Die Reichweite von Julius auf meinem Schoß wurde immer größer und er bediente sich in unachtsamen Momenten auch fröhlich an noch nicht geeigneten Lebensmitteln. Außerdem verfiel Maxi immer öfter in alte BLW-Start-Tage-Muster (Runterwerfen, Ausspucken etc.), wenn man ihm nicht genügend Aufmerksamkeit während der Mahlzeiten schenkte. Denn der Nachahmungstrieb funktioniert leider wunderbar wechselseitig. Nicht nur die Kleinen lernen von den Großen...

 

Der Hochstuhl war also unsere letzte Rettung und eine echte Wohltat. Zwar setzt sich Julius bis heute noch nicht komplett frei hin, aber er verbrachte damals schon sehr viel Zeit in der aufrechten Position oder kniete sich aus dem Stand kurz hin, wenn er sich dabei irgendwo abstützen konnte. Heute balanciert er nur noch lässig mit einer Hand an der Spielzeugkiste das Gleichgewicht aus, während er mit der anderen begeistert das Duplo ausräumt. Wir sind also nicht mehr so richtig weit vom echten 100 % Sitzen entfernt.

 

Dass es trotzdem noch etwas zu früh war, merkte man in den ersten Hochstuhltagen daran, dass Julius nicht sehr lange essen wollte. Meist schon nach kurzer Zeit wurde er unruhig und dann beendete ich auch sofort seine Mahlzeit und er durfte wieder krabbeln. Nach ein paar Tagen wurde sein Sitz im Stuhl schon deutlich stabiler und inzwischen ist er bei uns regelmäßig derjenige, der beim Essen die meiste Ausdauer hat. Und seit er seine Unzufriedenheit vermehrt zeigte, wenn er dann doch wieder bei einer Mahlzeit auf dem Schoß sitzen sollte, lassen wir ihn nun auch jedes Mal im Hochstuhl essen.

 

Dass Babys uns durch ihre Unzufriedenheit immer etwas mitteilen wollen, dürfte bekannt sein. Aber was genau das dann ist, da dürfen wir Mamas und Papas dann oft raten ohne Ende. Julius erschreckte uns bei einigen Mahlzeiten - noch zu Schoßzeiten - beispielsweise mit einem abrupten entsetzten Weinen. Anfangs interpretierte ich das immer als ganz plötzlichen Stillhunger und wunderte mich dann, wenn er nach einem Zug die Brust los ließ um sich noch mehr aufzuregen. Erst dann sah ich meist den Grund für seinen Ärger, denn der klebte in Form eines Stückchens Brot, Paprika- oder Apfelschale an seinem Gaumen fest. Und zwar so, dass es ihm scheinbar so richtig unangenehm war. Kaum hatte ich unter größter Vorsicht das Stückchen gelöst, war wieder Ruhe und er aß vergnügt weiter oder wollte stillen - je nachdem. Diese Vorfälle waren auch für mich und meinen Mann Neuland und sorgten jeweils für einen spontanen Pulsanstieg. Bei Maxi hatten wir so etwas nie erlebt. Aber glücklicherweise scheint diese Phase auch schon wieder vorüber zu sein, denn inzwischen kann Julius mit den verschiedensten Lebensmitteln sehr gut umgehen.

 

Mit seinen zwei Zähnchen beißt und schabt er an rohem Obst und Gemüse. Er liebt Gurke und auch Paprika und Apfel sind gerne gesehen. Das wird fröhlich beknabbert, wobei noch nicht alles im Magen landet sondern oft in Kleinteile zerhäckselt wieder auf dem Tablett oder dem Boden landet. Weicheres wie Mango oder Kiwi verspeist unser Nachwuchs allerdings nicht selten schon komplett. Genauso wie Gemüsestücke aus dem Eintopf. Die müssen auch nicht mehr besonders groß sein, da er seit unserem Urlaub die Ich-kann-meine-Faust-vor-dem Mund-öffnen-und-das-Essen-hinein-schieben-Technik beherrscht. Mit breiigen Konsistenzen kennt Julius sich auch bestens aus. Waren wir bei Maxi damit in der Anfangszeit noch zurückhaltend (Matscherei-Vermeidung), lassen wir unseren Jüngsten gern schon morgens aus dem Familientopf Porridge oder Gries-Hirse-Brei mit Früchten naschen und servieren abends auch gleich nochmal Steckrübenpüree zum Fisch. Ja, man hat sich ans Putzen einfach gewöhnt. Und der angenehme Effekt, den wir bei breiartigen Speisen zu verzeichnen haben lautet: Der Boden bleibt überraschender weise oft komplett sauber. (Nur Hochstuhl und Kind bedürfen einer ausgiebigen Grundreinigung).

 

Und was kommt als nächstes? Der Löffel ist es (noch) nicht. Den haben wir testweise mal hingelegt. Führt aber im Moment noch zu Verwirrung in der Handhabung. Der Becher ist es auch (noch) nicht. Der wurde bei beiden bisherigen Angeboten nach kurzer Begutachtung dezent vom Tisch gefegt. Daher tippe ich eher auf den Pinzettengriff. Denn auf dem Wohnzimmer Fußboden inspiziert Julius gerade schon jeden Brösel, den sein großer Bruder dort fröhlich verteilt oder nestelt ausdauernd an den klitzekleinen Reisverschlüssen der Sofakissen herum, während er sich am Sitzmöbel entlang hangelt.

 

Wir werden bestimmt bald sehen, ob ich mit dieser Vermutung richtig liege und wir dann (unpürierte) Erbsen und Mais für alle servieren können.

 

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